Johann Wolfgang von Goethe
Seine Gedichte
Auf dem See

Originalzitat des Gedichtes
Und frische Nahrung, neues Blut
Saug’ ich aus freier Welt;
Wie ist Natur so hold und gut,
Die mich am Busen hält!
Die Welle wieget unsern Kahn
Im Rudertakt hinauf,
Und Berge, wolkig himmelan,
Begegnen unserm Lauf.
Aug, mein Aug, was sinkst du nieder?
Goldne Träume, kommt ihr wieder?
Weg, du Traum! so gold du bist;
Hier auch Lieb und Leben ist.
Auf der Welle blinken
Tausend schwebende Sterne,
Weiche Nebel trinken
Rings die türmende Ferne;
Morgenwind umflügelt
Die beschattete Bucht,
Und im See bespiegelt
Sich die reifende Frucht.
Wann entstand das Gedicht "Auf dem See"?
Das Gedicht "Auf dem See" wurde im Jahr 1775 verfasst und spiegelt Goethes Eindrücke einer Bootsfahrt auf dem Zürchersee während seiner Schweizreise wider. Es entstand in der Sturm-und-Drang-Periode, in der Goethe die Natur als Inspirationsquelle und Ausdruck persönlicher Emotionen intensiv erforschte.
Worum geht es in dem Gedicht?
"Auf dem See" thematisiert das unmittelbare Erleben der Natur und die Verbindung des lyrischen Ichs mit ihr. Es schildert die Freude und Lebendigkeit, die das lyrische Ich während einer Bootsfahrt verspürt, sowie das Gefühl von Freiheit und Einklang mit der natürlichen Welt.
Inhalt / Handlung des Gedichts
Das Gedicht beschreibt die Bootsfahrt auf einem See und die Wahrnehmung der Natur. Das lyrische Ich fühlt sich inmitten von Wasser und Landschaft lebendig und von der Natur selbst getragen. Es erlebt eine harmonische Einheit mit der Umgebung und genießt den Augenblick. Die Eindrücke der Landschaft, das Spiel des Wassers und die Reflexion des Himmels erzeugen ein Gefühl der Dankbarkeit und Lebensfreude.
Interpretation
"Auf dem See" ist eine Ode an die Natur und die Freiheit. Goethe stellt die Natur als Quelle von Kraft und Inspiration dar. Das Gedicht zeigt, wie das Leben in der Natur die Seele erneuert und das lyrische Ich mit neuer Energie und Freude erfüllt. Die Bootsfahrt symbolisiert zudem den Übergang und die Reise des Lebens selbst – ruhig und harmonisch, aber voller Bewegung und Möglichkeiten.
Der enge Bezug zur Natur ist typisch für die Sturm-und-Drang-Epoche, in der die Emotionen des Menschen und seine Einheit mit der Natur zentral standen. Gleichzeitig ist das Gedicht eine Reflexion über die Vergänglichkeit und das Innehalten, um den Moment bewusst zu genießen.
Reimschema und stilistische Mittel:
Das Gedicht "Auf dem See" folgt keinem strengen Reimschema, sondern verwendet freien Rhythmus, um die Ungezwungenheit der Natur und der Gefühle zu unterstreichen. Es besteht aus vierzeiligen Strophen mit wechselndem Reim, was eine lockere, fließende Struktur schafft.
Goethe nutzt Personifikationen wie "Natur hält mich am Busen" und Metaphern wie "frische Nahrung, neues Blut", um die regenerative Wirkung der Natur auszudrücken. Der fließende Rhythmus und die anschaulichen Beschreibungen der Landschaft betonen die Harmonie zwischen Mensch und Natur.