Johann Wolfgang von Goethe
Seine Gedichte
Der Bräutigam

Originalzitat des Gedichtes
Um Mitternacht - ich schlief, im Busen wachte
Das liebevolle Herz, als wär es Tag;
Der Tag erschien, mir war, als ob es nachte
Was ist es mir, soviel er bringen mag.
Sie fehlte ja, mein emsig Tun und Streben,
Für sie allein ertrug ich's durch die Glut
Der heißen Stunde; welch erquicktes Leben
Am kühlen Abend! lohnend war's und gut.
Die Sonne sank, und Hand in Hand verpflichtet
Begrüßten wir den letzten Segensblick,
Und Auge sprach, ins Auge klar gerichtet:
Von Osten, hoffe nur, sie kommt zurück.
Um Mitternacht - der Sterne Glanz geleitet
Im holden Traum zur Schwelle, wo sie ruht.
O sei auch mir dort auszuruhn bereitet,
Wie es auch sei, das Leben, es ist gut.
Wann entstand das Gedicht "Der Bräutigam"?
Das Gedicht „Der Bräutigam“ entstand vermutlich 1824 und wurde 1829 erstmals gedruckt. Es fehlt in Goethes Ausgabe letzter Hand (1827) und zählt zum späten Werk des Dichters.
Worum geht es in dem Gedicht?
„Der Bräutigam“ schildert die Empfindungen eines Mannes, der zwischen Erinnerung, Sehnsucht und Trost schwankt. Das lyrische Ich denkt an den vergangenen Tag, an die Abwesenheit der Geliebten und an gemeinsam erlebte Augenblicke. Getragen von der Hoffnung auf ein Wiedersehen und der Kraft der Liebe findet es inneren Frieden und eine positive Haltung zum Leben.
Inhalt / Handlung des Gedichts
Das Gedicht beginnt mit einem nächtlichen Moment, in dem das lyrische Ich von seinen Gefühlen für die Geliebte überwältigt wird. Der Tag scheint ohne sie dunkel zu sein, obwohl die Sonne scheint. Es erinnert sich an gemeinsame Augenblicke, wie den Sonnenuntergang, und an die gegenseitige Liebe, die in diesen Momenten geteilt wurde. Schließlich wünscht sich das lyrische Ich, dass die gemeinsame Ruhe auch über den Tod hinaus andauert.
Interpretation
„Der Bräutigam“ symbolisiert die Bedeutung von Liebe als zentrale Kraft im Leben. Goethe zeigt die Gegensätze von Licht und Dunkelheit sowie Tag und Nacht, um die Stimmung des lyrischen Ichs zu betonen. Das Gedicht reflektiert auch die Vergänglichkeit des Lebens und die Hoffnung, dass Liebe und Ruhe über das irdische Leben hinaus bestehen bleiben können. Es verbindet Elemente der Natur mit tiefen Emotionen und lässt die Weimarer Klassik in ihrer Harmonie und Formvollendung erkennen.
Reimschema und stilistische Mittel:
Das Gedicht folgt einem regelmäßigen Kreuzreim (ABAB) und ist in vier Strophen mit jeweils vier Versen gegliedert. Stilistisch setzt Goethe auf Antithesen, wie Tag und Nacht oder Abwesenheit und Wiedervereinigung, um die Gefühle des lyrischen Ichs hervorzuheben. Die Naturbilder wie „Sterne Glanz“ und „letzter Segensblick“ unterstreichen die emotionale Tiefe und die Verbindung zwischen Mensch und Natur.