Johann Wolfgang von Goethe
Seine Gedichte
Ganymed

Originalzitat des Gedichtes
Wie im Morgenglanze
Du rings mich anglühst,
Frühling, Geliebter!
Mit tausendfacher Liebeswonne
Sich an mein Herz drängt
Deiner ewigen Wärme
Heilig Gefühl,
Unendliche Schöne!
Daß ich dich fassen möcht'
In diesen Arm!
Ach, an deinem Busen
Lieg ich, schmachte,
Und deine Blumen, dein Gras
Drängen sich an mein Herz.
Du kühlst den brennenden
Durst meines Busens,
Lieblicher Morgenwind!
Ruft drein die Nachtigall
Liebend nach mir aus dem Nebeltal.
Ich komm', ich komme!
Wohin? Ach, wohin?
Hinauf! Hinauf strebt's.
Es schweben die Wolken
Abwärts, die Wolken
Neigen sich der sehnenden Liebe.
Mir! Mir!
In euerm Schoße
Aufwärts!
Umfangend umfangen!
Aufwärts an deinen Busen,
Alliebender Vater!
Wann entstand das Gedicht "Ganymed"?
Das Gedicht "Ganymed" wurde 1774 von Johann Wolfgang von Goethe verfasst. Es gehört zu den bekanntesten Werken seiner Sturm-und-Drang-Phase und thematisiert die innige Verschmelzung mit der Natur.
Worum geht es in dem Gedicht?
"Ganymed" beschreibt die ekstatische Vereinigung des lyrischen Ichs mit der Natur, die als göttliche Kraft dargestellt wird. Es ist ein Ausdruck von Liebe, Hingabe und spiritueller Erhebung.
Inhalt / Handlung des Gedichts
Das lyrische Ich wird von der Schönheit des Frühlings überwältigt. Es fühlt sich eins mit der Natur und strebt danach, diese göttliche Kraft in sich aufzunehmen. Die Blumen, das Gras und die Wärme der Sonne werden als Zeichen dieser Verschmelzung empfunden.
Interpretation
"Ganymed" ist eine Hymne an die Natur und das Göttliche. Goethe beschreibt die Natur als Quelle aller Schönheit und als Ausdruck des Göttlichen. Das Gedicht kann als romantische Verherrlichung der Einheit von Mensch und Kosmos gelesen werden.
Die Darstellung der Natur als Geliebte und die ekstatische Sprache vermitteln die intensive emotionale Erfahrung des lyrischen Ichs.
Reimschema und stilistische Mittel:
Das Gedicht folgt keinem festen Reimschema, was die freie, fließende Struktur betont und die Lebendigkeit der Gefühle widerspiegelt.
Goethe verwendet Metaphern wie "Busen der Natur" und Personifikationen ("Frühling, Geliebter"), um die Verbindung zwischen Mensch und Natur zu verdeutlichen. Die exaltierte Sprache und die dynamische Bildsprache machen die intensive Emotion des Gedichts erlebbar.