Johann Wolfgang von Goethe
Seine Gedichte
Mailied

Originalzitat des Gedichtes
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch.
Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd, o Sonne!
O Glück, o Lust!
O Lieb, o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe
Mit warmem Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Mut
Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!
Wann entstand das Gedicht "Mailied"?
Das Gedicht Mailied entstand im Frühjahr 1771. Es gehört zu Goethes Jugendlyrik und spiegelt seine euphorische Natur- und Liebeserfahrung wider. Das Gedicht wurde später in den Sesenheimer Liedern veröffentlicht.
Worum geht es in dem Gedicht?
Goethe feiert in „Mailied“ die aufblühende Natur und die Liebe zu einem Mädchen. Die Frühlingslandschaft, ihre Farben, Düfte und Klänge verschmelzen mit der inneren Freude des lyrischen Ichs. Naturerleben und Liebesempfindung sind untrennbar verbunden.
Inhalt / Handlung des Gedichts
In mehreren Strophen beschreibt das lyrische Ich zunächst die Frühlingsnatur: leuchtend, klingend, voller Leben. Danach rückt die Liebe in den Mittelpunkt – das Mädchen, ihr Blick, ihre Zuneigung. Zum Schluss steigert sich die Empfindung in eine hymnische Freude über Jugend, Liebe und kreative Inspiration.
Interpretation
„Mailied“ gilt als eines der schönsten Beispiele von Goethes Sturm-und-Drang-Lyrik. Es verbindet unmittelbares Naturerleben mit jugendlicher Liebesbegeisterung. Die Sprache ist einfach, spontan und voller Ausrufe, was die emotionale Intensität verstärkt. Die Natur erscheint nicht distanziert, sondern lebendig und eins mit dem Menschen.
Reimschema und stilistische Mittel:
Das Gedicht besteht aus neun vierzeiligen Strophen. Das Reimschema ist überwiegend Kreuzreim (abab). Typisch sind Exklamationen („O Erd, o Sonne!“), Anaphern („Wie…“), Parallelismen, Lautmalerei und Personifikationen. Der Ton ist hymnisch, leicht und voller Bewegung.